Vertrauen in den Prozess oder die bedingungslose Einladung: Es darf SEIN, was ist.
Wellen der Veränderung
Wir schwimmen derzeit kollektiv auf einer riesigen Welle der Veränderung und werden dabei mächtig durchgeschaukelt. Wenn wir gerade denken, dass die Wogen sich nun endlich glätten, wartet bereits die nächste große Herausforderung auf uns. So manches Mal rieselt unsdie Geduld davon, vielleicht verlieren wir zwischendurch sogar das Vertrauen in uns und die Menschen um uns herum oder das große Ganze.
Und dann wieder erfahren wir: Es öffnen sich neue Türen, wir sammeln freudige Erfahrungen und fühlen die Lebendigkeit in uns. Endlich kommen wir zur Ruhe, weil das Leben im Außen komplett heruntergefahren ist. Wir spüren: Mit diesem bedingungslosen Vertrauen in uns selbst und in uns geht es irgendwie weiter.
Art of Hosting und die Kunst Raum für gelingende Dialoge zu öffnen
Vor einigen Jahren begegneten mir, ungefähr parallel zur Entdeckung des Kundalini Yoga, einige einfache Lehren aus der Praxis des Art of Hosting. Ich verstehe darunter die Kunst, Räume für schöpferische und konstruktive Dialoge zu erschaffen, so dass Transformations- und Lernprozesse möglich werden. Art of Hosting führt unterschiedlichste Formate und Lehren zusammen, wie beispielsweise die Dir vielleicht bekannte Methode Open Space. Veranstaltungsformate, die auf diese Weise kreiert werden, zeichnen sich für mich durch eine hohe Präsenz aller Beteiligten und einen großen Gestaltungswillen aus. Es fühlt sich lebendig und freudig an, dabei zu sein. Ideen, die entstehen, sind oftmals neu und vorher nie dagewesen. Diese kleinen Ideen können dann hoffentlich sprießen und wachsen, so dass Veränderungen möglich werden. Wenn endlich genug Vertrauen in sich und die Gemeinschaft entstanden ist, so dass der Mut für die ersten Schritte da ist und gegangen werden kann.
Die Prinzipien, die ich für mich aus dem Art of Hosting schöpfe, möchte ich hier zum Ausdruck bringen. Für mich passen sie sehr zu unserem yogischen Lebensstil und sie sind mir ein hilfreicher Begleiter für verschiedenste Lebensphasen, wie für meinen Yogaunterricht und die Arbeit mit Menschen und Gruppen. Was ich immer wieder daraus lerne: Pures Vertrauen in das Leben, das gelebt werden will. Bedingungslos. Immer wieder. An jedem neuen Tag. Pures Vertrauen, dass die Prozesse, wie sie sie auch manchmal entpuppen, hinterher Sinn ergeben.
Für mich sind vier Prinzipien wesentlich und ein Gesetz wesentlich:
Es beginnt, wenn es beginnt, wenn die Zeit reif ist. Ich beginne, wenn ich wirklich ganz DA bin, in meiner vollkommenen Präsenz, in mir angekommen. Wenn ich mich mit mir verbunden fühle und klar bin, was jetzt eigentlich geschehen und welche Worte gesprochen werden sollen. Ich beginne, wenn ich das Gefühl habe, ja, jetzt sind alle da. Die Zeit ist reif.
Vorbei ist vorbei – nicht vorbei ist nicht vorbei: Die Dinge brauchen die Zeit, die sie eben brauchen. Manches erscheint uns unendlich langsam, anderes wieder geht dann blitzschnell. Zumeist benötigen die Dinge mehr Zeit, als wir es in unserem kleinen Feld absehen können, besonders, wenn dabei unsere Kreativität benötigt wird. Wir können eben nicht alles planen, dürfen immer wieder unserem Lebenszyklus vertrauen; und vielleicht erfahren, dass mancher Prozess etwas mehr Zeit zur Entwicklung benötigt.
Die, die da sind, sind genau die Richtigen: Ich lade ein und es ist niemand da? Dann ist es genau richtig, und ich darf mir Zeit für eben genau dieses Thema nehmen, zu dem ich eingeladen habe. Und zu meinem Yogaunterricht kommen genau die Schüler, die eben diese Stunde, dieses Thema, JETZT und HIER benötigen und dann finden sich in mir auch die richtigen Worte. Und hinterher bekomme ich zurück-gemeldet, wie wunderbar es heute war. Und die Menschen, die um mich sind (ob im Yoga oder in meinen Beziehungen zeigen mir genau das, was für mein Wachsen wichtig ist. Sie sind sozusagen ein verlässlicher Partner und mit dem, was sie in uns triggern, laden sie uns ein, hineinzuspüren, für uns wach zu werden.
Das, was geschieht ist das Einzige, was geschehen kann: Der Unterricht kann nicht stattfinden, weil…(ein neuer Lockdown,…); und andere Katastrophenmeldungen, oder einfach nur: Der Unterricht fühlt sich heute unruhig an. Sobald wir innerlich ruhig damit werden, verändert sich auch dieses Empfinden. Die Spannung, die ich vorhin noch als mächtig empfunden habe, kann sich auflösen. Es darf SEIN, was ist. Oder wenn es mir eingangs schwerfällt; ist es zunächst nur die Beobachtung. Lasse ich mich ganz ein, spüre ich in mir, was lebendig ist: die unendliche Trauer, Angst, Scham, Einsamkeit, … komme ich ebenfalls in Kontakt mit der unendlichen Liebe und dem Frieden in mir. Mit meinem unendlichen Vertrauen und meiner Hingabe an das Leben. Und dann ist da ist diese zarte, tiefe und heilsame Berührtheit, die wir Yogis vermutlich immer wieder in unserer täglichen Praxis spüren dürfen. Und ich weiß: Es darf sein, was ist.
Das Gesetz der zwei Füße bringt mich selbst in die Verantwortung. Ich kann die Situation verlassen, wenn ich das Gefühl habe, nichts mehr beitragen zu können, oder zu wollen. Ich kann aufstehen und gehen. Doch: Für mich und mein Lernen, bleibe ich verantwortlich. So verstehe ich, dass ich allein immer wieder neu entscheiden darf, wie ich handle. In dieser Zeit fühlen wir uns möglicherweise in bestimmten Situationen gefangen, doch auch hier entscheiden wir, wie wir im Inneren damit umgehen. Behalten wir unseren Fokus im Blick oder geben wir uns mit unserer Aufmerksamkeit dem hin, was im Außen geschieht.
Prozesse begleiten: Raum halten und in der Präsenz weilen
Mit diesen Prinzipien und dem Gesetz der zwei Füße gelingt es mir, mit viel Vertrauen den Raum zu halten. Für mich und meine Prozesse. Für die Menschen, mit denen ich arbeite. Für das, was ist. Und aus diesem Halten und Miteinander-SEIN entsteht etwas Neues, ein neues Gefühl der Verbundenheit. Es darf bedingungslos sein, was gerade lebendig ist. In mir und in Dir. Mit dieser Erfahrung wächst mein Vertrauen in die Lebensprozesse, in mir, in meinen Beziehungen und oder der Natur, die mich umgibt. Dieses DA-Sein, diese volle Präsenz bringt uns in unsere Kraft: Wir berühren in dieser Verbindung mit uns selbst auch die Menschen um uns herum.
Diese Prinzipien rufe ich mir immer wieder in Erinnerung, sie passen für mich nicht nur, wenn Menschen aufeinandertreffen, sondern in sämtlichen Lebenssituationen, und ich kann davon ausgehen: Das was geschieht, ist das einzige, was geschehen kann. Dies vollständig anzunehmen bringt mich näher zu mir. Und mir ist klar: Eigentlich kann nichts Schlimmes passieren, oder mich erschüttern, wenn ich wirklich willkommen heiße, was da gerade in mir oder den Menschen, die mir begegnen, lebendig ist. Auch die tiefste Traurigkeit darf dann sein und ich kann es halten.
Yoga und Art of Hosting: Hier finden sich viele Überschneidungen und zusammen wird es mehr als die Summe seiner Teile. Je mehr ich in beiden Wegen voranschreite, erlebe ich, wie sich beide Wege ineinander verweben, gegenseitig befruchten und voneinander lernen können für einen Wandel in dieser unserer Welt.