Wie gelingt uns das HINHÖREN?
HÖREN will gelernt sein. Und ich gehe davon aus, dass wir wirklich hinhörend die Welt ein Stück verändern können. Zumindest unsere innere Welt. Weil wir Verbindung spüren und uns gesehen fühlen. Aus diesem „Ich fühle mich gesehen“ wird möglicherweise ein Entwicklungsimpuls, weil ich den Mut finde einen nächsten wichtigen Schritt für mich zu gehen. Weil ich eine ganz klare Idee für mich entwickle. Wenn es ums Zuhören (oder besser HIN-hören, die Ohren sollen ja offen sein, nicht zu ;-)) geht, kommt mir die kleine Momo in den Sinn – hier eine kleine Erinnerung an die wunderbare Geschichte von Michael Ende.
Erinnerst Du dich an Momo?
Momo hat etwas ganz Besonderes an sich, eigentlich weiß niemand so genau was es ist. Die Menschen gehen zu Momo, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Oder wenn Sie sich mit jemandem streiten. Sie gehen zu Momo, und Momo macht eigentlich nichts Besonderes. Sie sitzt einfach da, sie hört hin. Sie stellt keine Fragen und unterbricht nicht. Auf diese Weise passiert es wie magisch, dass die Menschen, die mit ihren Sorgen zu Momo gehen, diese auf einmal vergessen und wissen, was der nächste Schritt ist. Und die Kinder versammeln sich bei Momo, sie können dort einfach spielen, sich neu erfinden, Geschichten ausdenken. Es fällt ihnen viel Kreatives ein, sie denken sich aufregende Rollenspiele aus und sind darin ganz vertieft. Was macht Momo, was zeichnet sie aus? Momo hört einfach hin, mit ihrer ganzen Präsenz, sie ist DA: mit ihrem ganzen Wesen richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf das, was ist.
Doch HINhören – wie gelingt dies?
Otto Scharmer untscheidet verschiedene Ebenen:
- Herunterladen: Das Hören basiert darauf, dass der Hörende innerlich seine Urteile über das Gehörte herunterlädt, interpretiert. Er ist mit seiner Aufmerksamkeit vor allem bei sich selbst, um das Gehörte zu interpretieren, es knüpft an bestehende Erfahrungen und Erwartungen. Präsentiert der Erzähler beispielsweise ein Problem hat der Zuhörer direkt die Lösung parat.
- Fakten hören: Diese Ebene konzentriert auf die Fakten, neue Daten in dem Gehörten. Wie ein Wissenschaftler sammelt der Hörer neue Informationen und sortiert diese. Der Zuhörer bestätigt hierdurch bereits vorhandenes Wissen, im besten Fall erweitert er dieses.
- Empathie: Empathie beginnt, wenn wir uns hörend dem Gegenüber hinwenden, also weg von den Fakten hin zum Gegenüber. Ich konzentriere mich erstmal auf mein Gegenüber und verstehe die Gegenwart aus der DU-Perspektive. Um dies zu erreichen, können wir beispielsweise das Gehörte mit eigenen Worten wiedergeben: (Hab ich Dich richtig verstanden, … Du hast gesagt,… )
- Schöpferischer Dialog: In diesem Dialog erkenne ich den Gesamtzusammenhang des Erzählenden und verbinde die gegenwärtige Situation, mit dem was in der Zukunft möglich wird. Die Beteiligten erleben einen Wechsel der Ebenen, sie werden schöpferisch, gehen durch einen gemeinsamen Prozess, entwickeln wirklich neue Ideen, erschaffen Neues. Die Energie und Aufmerksamkeit der Dialopgpartner ist sehr hoch, es ist ein gemeinsames Schwingen, beide kommen sich selbst ein Stückchen näher, sie erkennen sich ein Stückchen in ihrem Wesen. Wir können dies spüren: eine große innere Beteiligung, Freude und Begeisterung sind da. Und eine vollkommene Präsenz, ein DA-SEIN mit dem ganzen Wesen.
In unserem Alltagsleben kommen wir selten über die Ebene 1 und 2 hinaus. So rühren wir immer und immer wieder die alte Suppe neu um und finden keine wirklichen, nachhaltigen Lösungen für unsere gegenwärtigen Herausforderungen, sei es auf privater oder gesellschaftlicher Ebene.
In Beziehungen äußert sich dies darin: Ich weiß immer schon direkt, was der Partner sagen möchte. Ich brauch gar nicht hinhören, und umgekehrt ist es genau so. Und es nervt mich schon, bevor es überhaupt gesprochen ist. So triggern wir uns gegenseitig und wundern uns immer mehr, wenn das gemeinsame Gespräch schließlich nicht mehr gelingt. (Auch mir ist das bekannt, doch wir können lernen aus diesem Muster auszusteigen ;-))
Doch wie gelingt es: ein erster Schritt: das eigene Hörverhalten reflektieren. Wie höre ich hin? Und dann: Üben wir uns darin, den anderen wirklich verstehen zu wollen. indem wir nachfragen, die Worte des anderen wiederholen, fragend überprüfen: habe ich Dich verstanden? …und langsam ändern sich unsere alltäglichen Verhaltensmuster. Veränderungen werden schrittweise sicht- und spürbar. Ich kann in meinen direkten Beziehungen beginnen. Heute. So entsteht wieder eine Verbindungsqualität, die vorher nicht war, wir verstehen die Perspektive des Gegenübers und erkennen uns darin wieder. Ja, wir spüren die Menschlichkeit, die Verletzlichkeit des Anderen. Wir können die Bedürfnisse unseres Partners sehen und respektieren. Dafür ist es nicht mal nötig, dass wir einer Meinung sind, oder alles genau so empfinden. Doch es gelingt uns ein neues Miteinander: Wir fühlen uns verbunden und erkennen uns in unserer Menschlichkeit. Wir fühlen: Ich bin ok und Du bist es auch.
Übung: Beobachte DICH: Wie hörst Du hin? Bist Du innerlich direkt bei deinen eigenen Urteilen, Bewertungen, Interpretationen, oder versuchst Du den anderen erstmal zu verstehen, und auch einfach so SEIN zu lassen, wie er/ sie JETZT gerade ist und erlebt. Wenn Du wirklich zuhörst, was verändert sich in deiner Aufmerksamkeit? Welche Veränderung bemerkst Du bei deinem Gegenüber?
Viel Freude beim HÖREN!